Herzgesund

Die Zimmertür geht auf und die Stationsleitung kommt rein. Sie sagt, dass draußen eine Frau sei, die mich durch meinen Blog kenne.
Sie selbst ist transplantiert.
Ob sie uns besuchen dürfe?

Ich bin sprachlos und aufgeregt.
Durch den Blog?
Klar möchte ich sie kennenlernen.

Sie kommt rein. Sie sieht sehr nett aus. Sie hat ein großes Pflaster am Hals kleben, ein Schlauch hängt raus.
Sie ist eine Bekannte eines Freundes von mir. Er hat ihr den Link zum Blog gegeben.
Sie mag den Blog. Ich soll auf jeden Fall damit weitermachen.
Heute kommt sie zur Kontrolle ins Krankenhaus, ihre Transplantation liegt 3 Monate zurück.
Gelistet war sie 108 Tage.
Eine halbe Arschbacke denke ich.

Mein Kind und ich beantworten ihre Fragen und stellen einer „echten Expertin“ unsere Fragen.
Tut der Schlauch, der aus dem Hals kommt weh?
Nein. Nur das Pflaster nervt.
Was hat ihr beim Warten geholfen?
Sie hatte eine Pumpe mit ca. 6 Stunden Akku und konnte zu Hause warten.
Es gab aber auch hier gute und schlechte Tage.
Wie bei uns.
Wir sprechen über die Zeit auf der Intensivstation.
Bei den Erwachsenen läuft das etwas anders. Von der Intensiv kommt man auf eine Zwischenstation und dann auf die „Normalstation“.
Mein Kind erzählt, dass es die Intensivstation nicht mag.
Auch weil es dort keine Toiletten auf dem Zimmer gibt.
Der Toilettenstuhl ist auch doof.
Sie sagt, dass der Stuhl doch echt okay sei. Die Pfanne wäre viel blöder.
Ja, stimmt, da sind sich die Beiden schnell einig.
Es ist schön, mein Kind so zu erleben.

Sie erzählt, wie gut es ihr jetzt geht, dass sie wieder Alles machen könne.
Es sei ungewohnt, das Herz wieder richtig schlagen zu fühlen, ohne Pumpe.
Ich überlege, wie sich mein Herzschlag anfühlt.
Ich fühle es kaum.
Aber ich kenne es auch nicht anders.

Die Erwachsenen mit einem kompletten Kunstherz, die kein eigenes Herz mehr in sich tragen, sind an Maschinen angeschlossen, die sich anhören und so laut sein sollen, als ob permanent jemand mit einem Hammer auf eine Tischplatte schlage.
Unvorstellbar.
Unsere Pumpe ist laut, aber wir nehmen das Geräusch schon nicht mehr richtig wahr.

Sie erzählt von dem Moment, als ihr Anruf kam.
Ihr Herz schlug schnell, sie wurde abgeholt und dann sei Alles ganz schnell gegangen.

Drei Wochen nach der Transplantation ging es in die Reha und dann nach Hause.
Drei Wochen.
Wenn der nächste Schritt kommt und es irgendwann nur noch drei Wochen sind, dann sitzen wir die auch locker auf einer halben Arschbacke ab.
Da sind sich mein Kind und ich einig.

Das Schönste was sie zu meinem Kind sagt ist:
„Wenn du dein Herz hast, dann kannst du Alles machen, dann bist du nicht mehr herzkrank, dann bist du herzgesund. Dann hast du ein gesundes Herz.“
Herzgesund.
Das macht Mut.
Meinem Kind.
Und mir.

Sie sagt, wir können uns richtig auf den Tag freuen, wenn unser Herz kommt, denn was danach kommt sei unvorstellbar schön.

Irgendwann verabschiedet sie sich.
Mein Kind und ich sprechen anschließend noch über den unerwarteten Besuch und resümieren:
Der Besuch hat uns richtig gut getan.
Wir freuen uns auf unser herzgesundes Leben.