Erwischt

Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende.
Mit meinem Kind habe ich viel gelacht, wir haben Geschichten gesponnen und waren viel draußen und im Krankenhaus unterwegs.
Im Elternhaus bin ich mal wieder zum Russisch lernen verabreden.
Es ist 21 Uhr.
Ich komme gut gelaunt an.
In meinem Postfach sehe ich einen Brief.
Ich freue mich erneut.
Ziehe den Brief heraus.
Ich kenne die Schrift nicht.
Schwarzer Rand.
Scheiße.
Ich weiß von wem der Umschlag kommt.
Und binnen Sekunden befinde ich mich im Januar…
Es ist eine Danksagungskarte.
Eine Karte für mein Kind und mich.
Weil wir mit trauern.
Weil wir an das kleine Kind denken und gedacht haben, als es im Januar den letzten Kampf verloren hat.
Es ist ein scheiß Gefühl.
Die Familie und das Kind sind nicht vergessen.
Waren es nie.
Sind es nie.
Mit der Mutter habe ich weiterhin Kontakt.
Wir sind Freundinnen.
Teilen das Leid, die Sorgen und auch das kleine Glück.

Ich frage mich, warum man sich bei Mittrauernden eigentlich bedanken muss oder soll, wenn jemand verstorben ist?

Die Karte ist schön.
Ein Foto liegt bei.
Viel zu kurz war dieses Leben.
Viel zu kurz.

Später sitze ich in der Küche.
Ich lerne kein Russisch.
Wir trinken Wein.
Eine Russin.
Eine Albanerin.
Eine Armenierin kommt noch dazu.
Und eine Deutsche, ich.
Wir knabbern Sonnenblumenkerne.
Quatschen über dies und das.
Und jede von uns hofft, dass morgen ein noch besserer Tag sein wird und wir bald alle zu Hause sind.
Darauf trinken wir.
Zuhause mit unseren Kindern.

Ich denke an meine Kinder.
An den kleinen Regenbogenschatz und das Geschwisterchen.
Und ich bete, dass mein Kind bald ein Herz bekommt und wir nach Hause dürfen.