Auf See

Langsam gleitet das Schiff über die glänzende See.
Familie und Freunde an Bord.
Sonne und leichter Wind begleiten uns.
Es ist ein wundervoller Tag.
Ein schöner Tag zum Lebewohl sagen.
Obgleich die Traurigkeit in jedem Gesicht zu sehen ist, sehe ich auch enge Verbundenheit, Freundschaft, Liebe und Zuversicht.

Es ist egal zu welchen Zeitpunkt man einen Menschen verliert.
Es ist immer zu früh und es tut immer weh.
Luca,
wir zwei sind in den letzten 20 Monaten im Krankenhaus ‚das Team‘ geworden.
Ganz eng. Ganz innig.
Es gab uns beide und am Wochenende uns alle.
Unsere kleine Familie.

Wir haben aus allem das Beste gemacht.
Haben getanzt, gelacht, gefeiert, experimentiert und gezaubert.
Haben Pläne geschmiedet,
was wir alles machen, wenn wir wieder zu Hause sind.
Wo wir alles hin wollen.

Wir haben Nerf-Schlachten auf den Fluren ausgefochten, die Ambulanz in die größte Partyzone ever verwandelt.
Sind verkleidet an Halloween von Tür zu Tür gezogen und an Karneval singend durch das ganze Haus.

Wir haben so viel Pizza wie in meinem ganzen Leben zuvor noch nicht bestellt und sogar eine eigene Cocktail-Bar eröffnet.
Viele Stunden haben wir gebastelt, hast du Lego gebaut und gemalt.
Ich kenne kein Kind, das so wundervoll malen kann wie du.
Die Drei???Kids können wir mitsprechen und das Toggo Programm kennen wir in und auswendig.

Wenn du auf dem Klo gesessen hast, hast du irgendwann gerufen:
„Mama!“
Ich sagte:“Ja?“
Und du:
„Komm in meine Arme und solange ich dich halte, bist du sicher. Das verspreche ich dir.“
Und ich habe es dir versprochen.

Du warst geduldig, einfühlsam und sensibel, aber auch vorlaut und frech.
Ich erinnere mich an die Kämpfe mit deiner Lehrerin.
Oder einer Krankenschwester, die du nachhaltig darauf aufmerksam gemacht hast, dass wir Henning und nicht Hanning mit Nachnamen heißen.

Luca, du hast an Kraftsteine und Glückssymbole geglaubt und sie verschenkt, wenn du glaubtest, dass gerade jemand mehr Glück nötig hatte als du, wie z.B. Leonard, Joah oder der kleine Pirat.

Frau Dr. R. schrieb mir folgendes:
„Manche Menschen werden 80, 90 und älter und geben anderen Menschen nicht das, was Luca in seinem viel zu kurzen Leben schon weitergegeben hat.
Er hatte Augen, die so viel sagen konnten, wie es erfahrene Augen tun und ebenso Gesten.
Er hat sein Schicksal so gut angenommen und wirklich das Beste daraus gemacht, dass er Vorbild für viele sein kann.
Es ist unglaublich, dass ein junger Mensch so etwas kann.
Er hat mehr geschafft, als manch aktiver Erwachsener und er ist immer er selbst geblieben.“

Und am Ende des Briefes schreibt sie:
„Es ist schwer für so etwas Worte zu finden.
Luca hätte es mit seinen Augen gesagt.“

Genau so war Luca.
Wird Luca immer bei uns sein.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen,
Luca,
du gehst auf deine letzte große Reise.
Aber du bist nicht allein.
Wir alle hier begleiten dich.

Wir wollten uns immer mit allen an einem neutralen Ort wiedersehen, außerhalb der Klinikmauern.
Hier stehen wir jetzt.
Dich, Luca, können wir jedoch nur in unseren Herzen tragen.

Es ist ein besonders schönes Gefühl zu wissen, dass Luca in Euren und vielen anderen Herzen einen festen Platz eingenommen hat.
Luca, wir alle haben durch dich und mit dir viel gelernt.
Du bist und bleibst einzigartig.

Jetzt bist du der ganze Himmel und das ganze Meer.

Und wenn ich abends zum Elternhaus gegangen bin und dir „Gute-Nacht“ gesagt habe, dann habe ich gesagt:
„Ich hab dich lieb.“
Und du:
„Ich dich mehr. Ohne Rücktausch. Ohne A bis Z. Ohne alles.“
Wir haben gelacht.
Und ich habe gesagt:
„Träum von mir.“
Und du sagtest:
„Mach ich. Und du von mir!“

Ich liebe dich.
Wir alle lieben dich.

Hier endet die Reise auf dem Herzkosmos.
Ich mache mich auf.
Bereise andere, neue Welten.
Danke an euch alle.
Familie, Freunde, Seegefährten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses, Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte meines Partners und mir, Kindergarten, Schule, bekannte und unbekannte Leserinnen und Leser des Blogs.
Ihr alle seid das Netz, das mein Kind und mich und unsere kleine Familie getragen hat und trägt.
Wir werden weiter machen, irgendwann, uns für Organspende und Trauerarbeit einsetzen.

Und eines sei noch gesagt:
Herzkosmos wird ein Buch.
Nicht heute und nicht morgen, aber in absehbarer Zeit.
Wenn es soweit ist, werde ich dies hier bekannt geben.

DANKE! OHNE EUCH? KEINEN TAG.