Argusauge

Mit Argusaugen betrachte ich mein Kind.
Klein.
Zierlich.
Zerbrechlich.
Zäh.
Kräftig.
Rebellisch.
Diese Herzkinder hier sind allesamt Kämpfernaturen.
Haben einen unglaublich starken Willen.
Wollen leben.
Mein Kind auch.
Der Tsunami entpuppt sich als Keim.
Noch ein neues Medikament.
Noch ein weiterer Kampf.
Ich halte weiter aus.
Und durch.
Merke, dass ich lange stark war.
Bin.
Zu lange.
Kein Ende in Sicht.
Ich schaue auf mein Kind und heule fast den ganzen Tag.
Ich werde lieb von der zuständigen Krankenschwester in den Arm genommen.
„Manchmal hilft Schreien“, sagt sie.
Mir ist nicht zum Schreien zu mute.
Ich bin nur traurig.
Unendlich traurig.
Will mein Kind zurück.
Die kleinen Arme, die sich um meinen Hals schlingen, auf mir fühlen.
Die Augen, die mich liebevoll anschauen, ansehen.
Die kindliche Stimme hören, die zu mir sagt:
„Mama, ich hab dich lieb.“
Ich vermisse das.
Vermisse mein Kind.
Mit Argusaugen betrachte ich mein Kind.
Mal kritisch.
Mal traurig.
Immer liebend.
Jeden Tag.
Solange ich kann.