Es braucht nicht immer viele Worte

Es ist spät.
Ich sitze im Elternhaus in der Küche mit einer anderen Mutter.
Sie bringt mir Russisch bei, ich ihr Deutsch.
Eine Frau kommt rein.
Ihr Kind hat vor ein paar Wochen ein neues Herz bekommen.
Sie sieht schlecht aus.
Auf die Frage, was los sei, bricht sie fast zusammen.
Sie steht am anderen Ende der Küche.
Ihr Deutsch ist schlecht.
Sie entschuldigt sich immer wieder dafür.
Sucht nach Worten.
Ihre Angst erfüllt den ganzen Raum.
Vor gut 1,5 Jahren ist die Familie aus Albanien über Italien nach Deutschland gekommen.
Sie haben kein Geld mehr.
Ihrem Kind geht es schlecht.
Es ist 12 Jahre, wiegt heute 19kg.
Wasser hat sich am Herzen gesammelt.
Ihr Kind wurde erneut operiert, ich denke es hat Drainagen bekommen, damit das Wasser abfließen kann. Und irgendetwas Schlimmeres war auch noch.
Die Frau kann es nicht gut erklären.
Sie weint, hat Angst.
Ich stehe auf und gehe rüber.
Ich nehme sie in den Arm.
Sie drückt mich so fest, ich kann jeden Knochen an ihrem Körper spüren und ihre Angst.
Sie bedankt sich, fragt nach meinem Namen.
Sie weiß, dass ich lange hier bin.
Sie weiß, wer mein Kind ist und das wir warten.
Auf ein Herz, damit danach alles gut wird.
Sie ist allein, ihr Mann ist Zuhause bei dem anderen Kind, das zur Schule geht. Sie kommen am Wochenende.
Sie wollte im Krankenhaus bleiben, bei ihrem Kind, aber ihr wurde gesagt, sie solle ins Elternhaus gehen, mal eine Pause machen.
Sie will nicht essen und nicht trinken.
Ich kenne das.
Es ist schwer.
Aber man braucht Kraft.
Sie, ich, wir alle hier.
Wir zwingen sie ein wenig zu essen, damit sie bei Kräften bleibt, für ihr Kind.
Es klappt.
Sie wird ein wenig ruhiger.

Wir sitzen zusammen, irgendwann sprechen wir Deutsch, Russisch und Albanisch.
Wir lachen.
Sammeln alle Kraft für morgen.
Ich sage, dass es gut wird, weil es gut werden muss.
Noch einmal drücken wir uns, ich spüre, dass die Anspannung der Frau weniger geworden ist.

Das war gestern.
Heute ist ein neuer Tag.
Ihrer Tochter geht es deutlich besser.
Der Frau jetzt auch.
Die OP war notwendig.
Es geht wieder bergauf.
Schritt für Schritt.
Hoffentlich bleibt das so.
Hier weiß man nie.